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Italien will Kreditkrise mit Mini-Bonds

In Südeuropa geizen die Banken mit Krediten. Italiens Mittelstand weicht deshalb auf einen neuen Finanzierungsweg aus: Mittelstandsanleihen. Die Idee scheint zu funktionieren – anders als in Deutschland. Von Tobias Bayer, Mailand

Am Montag steht die große Premiere an. Das Softwareunternehmen Tesi aus der 29.000- Seelen-Gemeinde Bra in der Nähe von Cuneo in der Region Piemont wagt sich an den Kapitalmarkt und begibt eine Anleihe. Zwei Millionen Euro sammelt die Firma von Investoren ein und berappt dafür in den kommenden fünf Jahren einen jährlichen Zinssatz von 5,6 Prozent.

Tesi ist ein typischer italienischer “Hidden Champion”. Gegründet 1995, beschäftigt die Firma, die im Besitz des Managements ist, rund 220 Angestellte. Sie entwirft Softwarelösungen, mit denen die Lieferkette und der Transport von Waren kontrolliert werden können.

Zu den Kunden zählen solch bekannte Namen wie der Nutella-Hersteller Ferrero, die Bekleidungskette Benetton, der Nudelanbieter Barilla oder die Luxusmarke Tod’s. Mit dem Geld aus der Emission will Tesi die Expansion finanzieren, beispielsweise durch die Übernahme eines Wettbewerbers.

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30/9/2014 Italien: Unternehmen besorgen sich Geld über Mini-Bonds – Nachrichten Wirtschaft – DIE WELT

Anleihe statt Bankkredit. In Italien (Link: http://www.welt.de/130940830) bricht eine neue Ära in der Firmenfinanzierung an. Traditionell sind die mittelständischen Betriebe des Landes auf die Banken angewiesen. 92 Prozent des Fremdkapitals entfallen auf den Bankkredit, nur acht Prozent auf den Kapitalmarkt. Zum Vergleich: In den USA beträgt das Gewicht des Kapitalmarkts rund 70 Prozent.

Doch mit dem Bankkredit klemmt es momentan. Die italienischen Banken haben den Geldhahn abgedreht. Sie ächzen unter einem Berg an notleidenden Darlehen. Um für härtere Eigenkapitalvorschriften gerüstet zu sein, halten sie sich mit neuen Engagements zurück. Zahlreiche Betriebe klagen seit Monaten darüber, dass die Banken reihenweise Kreditlinien kappen.

Alternative zum Bankdarlehen

Unternehmensanleihen (Link: http://www.welt.de/132683632) kommen hier als Alternative infrage. Die Regierung von Premier Mario Monti schuf 2012 mit dem Dekret 83/2012 das Instrument Mini- Bond. Es richtet sich an all die Firmen, die nicht an der Börse gelistet sind. Das Monti- Kabinett räumte steuerliche und juristische Hindernisse beiseite – und ebnete so auch Mittelständlern den Weg an den Kapitalmarkt.

Seit dem eher verhaltenen Start im Frühjahr 2013 erfreut sich der Mini-Bond inzwischen großer Beliebtheit. Ein Indiz dafür: An der Borsa Italiana in Mailand waren Stand Mitte September mehr als 60 Mittelstandsanleihen gelistet, die ein Volumen von mehr als vier Milliarden Euro haben. Im Sommer gab es einen regelrechten “Run”. Allein im Juli und August wurden Bonds von insgesamt über einer Milliarde Euro begeben. Die Spannweite ist enorm. Die Anleihen bewegten sich in einem Volumen zwischen fünf und 200 Millionen Euro.

Italiens Finanzminister Pier Carlo Padoan sprach von einem “bemerkenswerten” Ergebnis: “Der Mini-Bond erweist sich als ein Instrument, das akzeptiert wird und dem Mittelstand in einer wirtschaftlich schwierigen Situation hilft.”

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EZB-Politik zeigt keine Wirkung

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Der Mini-Bond-Boom ist auch von europäischem Interesse. Die wirtschaftliche Dynamik in der Euro-Zone lässt spürbar nach, auch in Deutschland. Japanische Verhältnisse werden gefürchtet, also eine Kombination aus Stillstand und Deflation.

Die Europäische Zentralbank (EZB) (Link: http://www.welt.de/131989536) bemüht sich unter ihrem Präsidenten Mario Draghi darum, mit einer ultralockeren Geldpolitik und Liquiditätsspritzen an die Banken die Kreditvergabe anzukurbeln. Doch die Manöver Draghis zeigen bislang nur begrenzt Wirkung, insbesondere in südeuropäischen Ländern wie Italien.

Während die Kreditvergabe der Banken nicht oder nur unzureichend in Schwung kommt, boomt der Anleihemarkt. In Italien begaben Unternehmen, den Finanzsektor ausgeklammert, laut dem Datendienstleister Dealogic seit Jahresbeginn knapp 33 Milliarden Dollar (26 Milliarden Euro) an Anleihen.

Zu den Emittenten zählten bislang der Energieversorger Enel
(Link: http://www.welt.de/boerse/aktien/Enel-SpA-IT0003128367.html) , der Öl- und Gaskonzern Eni
(Link: http://www.welt.de/boerse/aktien/ENI-SpA-IT0003132476.html) , der Automobilhersteller Fiat sowie der Telefondienstleister Telecom Italia (Link: http://www.welt.de/boerse/aktien/Telecom-Italia-SpA-IT0003497168.html) .

Dank dem Mini-Bond kommen auch nicht börsennotierte Unternehmen in den Genuss der günstigen Kapitalmarktbedingungen. Dario Londo und Linda Taylor, Anwälte im Mailänder Büro der Kanzlei Linklaters, unterscheiden drei Typen von Mini-Bonds.

Steigende Nachfrage nach Firmenanleihen

Die erste Gruppe seien Emissionen, die die kleinen und mittelständischen Unternehmen begeben würden. Die zweite Gruppe seien Anleihen großer Unternehmen, die an einen breiten Kreis an Investoren verkauft würden. Die dritte Gruppe bildeten bilaterale Emissionen großer Firmen, also Anleihen, die für ausgewählte Anleger bestimmt seien.

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“Mini-Bonds eröffnen vielen Firmen einen alternativen Finanzierungskanal zum Bankkredit”,

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sagen Londo und Taylor. “Dank dem Mini-Bond können große Firmen, die nicht an der Börse gelistet sind, eine größere Gruppe an Investoren erreichen, beispielsweise auch in den Vereinigten Staaten.”

Kleinen und mittelgroßen Betrieben eröffnen die Mini-Bonds eine neue Welt. Gerardo Murano, Leiter Finanzanalyse bei dem Emissionshaus ADB in Turin, berät den Mittelstand (Link: http://www.welt.de/132264134) . Er beobachtet eine steigende Nachfrage. Bei sieben Anleiheemissionen hat er bereits mitgewirkt, sechs weitere Dossiers liegen auf seinem Tisch.

Aktuell liegt das Emissionsvolumen bei kleinen Anleihen bei über 500 Millionen Euro. Ein Marktvolumen von 30 bis 35 Milliarden Euro hält Murano mittel- bis langfristig durchaus für möglich.

Ob es dazu kommt, hängt im Wesentlichen von der Investorenseite ab. Bislang gibt es in Italien zu wenig institutionelle Anleger, die kleine Mini-Bonds kaufen. Erst nach und nach werden Fonds aufgelegt, beispielsweise durch die Bank Monte dei Paschi aus Siena.

Pensionsfonds sollen ebenfalls investieren

Eine wichtige Weichenstellung könnte ab Oktober getroffen werden. Dann wird vielleicht entschieden, ob Pensionsfonds in Mini-Bonds investieren dürfen. Dazu muss die Aufsicht grünes Licht geben.

Was passiert, wenn ein Mittelständler einen Mini-Bond platziert bekommt, zeigt das Beispiel Caar. Das Ingenieurbüro aus Orbassano in der Nähe Turins begab als erstes italienisches Unternehmen überhaupt eine Mittelstandsanleihe. Drei Millionen Euro nahm das Büro in der ersten Jahreshälfte 2013 auf. Mit einer Laufzeit von fünf Jahren. Zu einem Zinssatz von 6,5 Prozent.

Im September 2014 nutzte Caar das Geld. Die Firma mit 120 Angestellten und einem angepeilten Jahresumsatz von zehn Millionen Euro erwarb zwei Gesellschaften. Eine mit Sitz in Bozen in Südtirol. Die andere mit Sitz im brasilianischen Belo Horizonte.

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Deutsche Sparer machten schlechte Erfahrungen

Auch in Deutschland erlebte der Markt der sogenannten Mittelstandsanleihen vor einigen Jahren einen Boom. Viele Firmen konnten sich zu attraktiven Konditionen Geld von meist privaten Investoren leihen, während sie bei den Banken abgeblitzt waren.

Doch in den vergangenen Monaten wurde der noch immer recht junge Markt für Mittelstandsanleihen hierzulande durch zahlreiche Pleiten erschüttert. Denn die Skepsis der Geldhäuser gegenüber vielen Unternehmen war offenbar berechtigt. Viele Firmen hatten die mangelnde Transparenz genutzt, um den wahren Zustand ihrer Bilanzen zu verschweigen. Private Sparer ließen sich von den recht hohen Zinsen verführen und wurden teilweise mit Totalverlusten abgestraft.

Für die Italiener bleibt zu hoffen, dass sie aus den Fehlern der Deutschen lernen.

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